von Carola Schiller

Mit seiner "kleinen Anleitung zur Reittouristik" hat Autor Dr. med Walter Nussbaum vor sehr langer Zeit ein kleines Buch geschrieben. Zugegeben, ich habe die Jahreszahl nicht gefunden. Allerdings stammt das Buch mit den Maßen eines Vokabelhefts aus einer Zeit, als "Männer, die für die Geschicke der Welt verantwortlich sind, tragen Rolex- Uhren" - Werbung noch genauso üblich war, wie die Empfehlung, einen schützenden Reit-Bowler (ähnlich einer Melone) auf dem Kopf zu tragen oder eine "Jagdmütze", die der späteren Reitkappe schon recht ähnlich sieht. Überhaupt bestand damals noch eine "strenge Garderobenpflicht", so der Verfasser. Ja, auch für das Reiten im Gelände. Eine Jodhpur-Hose, wahlweise in hellbraun, grau oder beige, dazu das Jacket in farblichem Konstrast, das sich bei schlechtem Wetter am Hals hoch schließen lässt. Eindeutig die Zeit weit vor Gore-Tex.

Gründliche Vorbereitung und die Nacht im Reithotel

Natürlich beschränkt sich Nussbaum nicht auf Äußerlichkeiten. Für die Ritte über Land empfiehlt er die gründliche Vorbereitung, Sichtung des Kartenmaterials und Planung der Strecken, möglichst unter Vermeidung asphaltierter Strecken. Das Planen soll Vergnügen bereiten, das wird aus seinen Zeilen deutlich und tatsächlich macht auch das Lesen darüber Spaß. Leicht vorstellbar, wie Dr. Nussbaum vergnüglich, vielleicht eine Pfeife rauchend, vor seinen ausgebreiteten Karten saß und akribisch seinen Überlandritt plante. Natürlich nicht nur für sich allein, sondern auch für die Begleiter. Aber: "Erst kommt das Pferd, dann der Mann". Das Reiten über Land war zu dieser Zeit.. . ich suche immer noch nach einem Hinweis auf das Datum....Männersache. Jedenfalls war die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit schon damals nicht ganz einfach und Nussbaum rät dringend davon ab, die Pferde "bei einem Bauern" unterzustellen. Besser geeignet seien Reitinstitute oder Pferdehändler. Ganz besonders schätzte er aber Reiterhotels. Dann sei auch das Pferd nicht weit entfernt, denn natürlich nächtigte der Reiter in einem ordentlichen Hotel. Im hinteren Teil der Anleitung finden sich seitenweise Hinweise auf geeignete Hotels. Eine beachtliche Liste. Es wäre interessant zu erfahren, ob das eine oder andere davon vielleicht noch existiert und noch Plätze für Pferde bietet.

Pferd und Ausrüstung

Nussbaums Ansprüche an Pferd und Reiter waren gemäßigt. Doch auch, wenn es damals weniger Straßenverkehr gab, Unfälle unterwegs konnten lebensgefährlich werden. Der Reiter sollte mindestens "geübt" und das Pferd "zuverlässig sein. Dazu gehörte, dass sie straßensicher sind und kleine Geländesprünge absolvieren konnten. Hier bezieht sich Nussbaum spannenderweise auf Aimé Tschiffely, der 1925 zu einem 10.000 Meilenritt von Buenos Aires nach New York aufbrach und drei Jahre später auch dort eintraf. Auch darüber gibt es übrigens ein Buch in so manchem Antiquariat: "Tschiffelys Ride, ten thousand miles in the saddle from Southern Cross to Pole Star".

Bei der Empfehlung der Ausrüstung lohnt sich auch ein zweiter Blick ins Buch, denn hier wird wertvolles, altes Wissen vermittelt. Sicherheit und Bequemlichkeit, vor allem für das Pferd, stehen an erster Stelle. Das "Feldhalfter" blieb unter der Trense, damit es keine Probleme beim Grasenlassen gebe. Insgesamt setzte Nussbaum auf den Umbau der "eleganten Trense" für die geplante Wandertour. Die Anbindeempfehlungen stammen vom Militär. Das gilt auch soweit beurteilbar für die Packliste. "Reparieren vor Neukauf" war die Devise und deshalb waren Werkzeug und Reparaturmaterialien unverzichtbar.

Mit dem Pferd in den Zug

Kaum noch vorstellbar, das Pferd auf einem Wanderritt unterwegs in einen Waggon zu verladen. Doch, auch das gab es früher. Walter Nussbaum erklärt auch genau, was es dabei zu beachten gibt. Für die Belüftung empfiehlt er, die Tür ein wenig offen stehenzulassen. Natürlich unter Aufsicht der sorgfältig angebundenen Pferde. Nussbaum spricht in diesem Zusammenhang von eigenen "Pferdewagen" in den Zügen und von romantischen Fahrten, die die Bindung unter den Reitern und auch zum Pferd stärkt.

Irgendwas geht immer schief

Das ist heute so und war damals nicht anders. Unter "Besondere Vorkommtnisse" listet der erfahrene Reiter auf, was genau wann zu tun ist. Es sind die Klassiker, die Wanderreiter auch heute noch vor Herausforderungen stellen, wie abgetretene Eisen, eine Kolik oder Verletzungen. Auch wenn heute niemand mehr Teer auf Wunden nach einem Nageltritt schmiert, die Empfehlungen sind den heutigen noch sehr ähnlich.

Auch daran hat sich nichts geändert

Dass einer der Chef sein muss und alle Teilnehmer zusammenpassen sollten, war Nussbaum ein sehr wichtiger Rat. Das verhindere unnötige Wortwechsel und Diskussionen, die die Freude am Ritt verderben. Denn darum ging es auch damals: Der Ritt sollte Menschen und Pferden Freude machen.

Herausgegeben hat das Buch der Verlag "Der Schweizer Kavallerist", der wohl damals noch zu Müller - Rüschlikon gehörte.

CS

 

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