Nostalgie pur verspricht das Lesen des alten Reiseführers "Wandern zu Pferd - Ferien im Sattel" aus dem Jahr 1963. Erschienen ist die 90-seitige Broschüre im St. Georg Verlag. Auf den Autor findet sich kein Hinweis. Dafür aber viele zu Wanderreitstationen und weiteren Anbietern, bei denen es sich gut mit Pferd übernachten ließ. Spannend daran ist, manche dieser Namen haben bis heute Bestand. Einige sind zu Hotels geworden, andere werden als Vereine geführt.

Es kann also interessant werden, sich in der Heimatregion auf die Suche zu machen. Etwas Detektivarbeit ist allerdings nötig, denn die Liste führt die Orte nach den Postleitzahlen, die 1993 abgeschafft wurden. Trotzdem - wer Spaß an geschichtlicher Veränderung hat, findet so vielleicht heraus, dass im Gebäude der heimischen Post, der Bäckerei in der Nachbarstraße oder im gediegenen Gasthof vor 50 Jahren Boxen und Weiden für Wanderreiter zum Angebot gehörten. Ältere Inhaber oder deren Angehörige könnten sich daran erinnern.

Faszinierend daran ist aber in jedem Fall, dass es ein dichtes Wanderreiternetz in Deutschland gegeben hat. Und den passenden Reiseführer dazu auch. Der beinhaltet die nötigen Hinweise zu der Zahl der Stellplätze und - fun fact- den Kosten. Die konnten sich deutlich unterscheiden. Vor allem, wenn "sonstige Dienste" in Anspruch genommen wurden. Was auch immer damit gemeint war.

Eine Übernachtung mit Frühstück konnte 8,50 DM kosten oder auch deutlich mehr. Wer den Springplatz nutzen wollte, musste etwas mehr zahlen. Das Superangebot Bqu bedeutet übrigens nicht Barbeque, sondern "Behelfs- oder Ausweichquartiere". Gemeint war damit eine zusätzliche Scheune. Fließendes Wasser war allerdings keine Selbstverständlichkeit. Die Legende hat dafür ein eigenes Symbol.

Beispiel gefällig?

In Roxel bei Münster bot Bauer Fritz Übernachtungsmöglichkeiten. Die Pferde konnten in einem "Behelfsstall" übernachten. Für 4-6 Pferde gab es Ständer (für die junge Generation: Das waren Anbindeplätze, die nach vorn mit einem Trog und rechts und links mit Stangen eingegrenzt waren. Mittlerweile ist das nicht mehr erlaubt). Einstreu gabs bei Bauer Fritz inklusive. Auch weist die Legende darauf hin, dass es bei Fritzens Futterkrippen und Eimer gab. Tierarzt, Sattler und Schmied seien erreichbar. Das dürfte nun wieder heute Luxus sein.

Wanderreiter, die im hessischen Lauterbach unterwegs waren, konnten bei Familie Koller unterkommen. Zehn Betten standen zur Verfügung, für die Pferde gab es einen Stall und zusätzlich einen Behelfsstall, außerdem vier Plätze in Ständern.

Aus eigener Erfahrung:

Und heute? Die Zeit, dass Landwirte auch nahezu immer auch Boxen zur Verfügung stellen konnten, sind mit der Spezialisierung längst verschwunden. Wer heute bei einem "Bauern" anklopft, muss damit rechnen, vor einem Puten- oder Schweinemastbetrieb zu stehen. Da ist kein Raum für Pferdeleute. Auch rechnet heute niemand mehr mit Wanderreitern, die anklopfen und um ein Quartier bitten. Aber es lohnt sich, es zu versuchen. Denn es gibt sie noch, die gastlichen Menschen, die schnell überlegen und dann eine Lösung schaffen. Oft genug, werden dann auch noch die Nachbarn angerufen und der Grill angeworfen. Es lohnt sich also, die alte Tradition wieder anzuschieben.

CS

 

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